Mechanische Stellwerksbauformen
Mechanische Stellwerke sind die ältesten im Einsatz stehenden Stellwerke. Bis zur endgültigen Einführung des
Einheitsstellwerk Mitte der 1920er Jahre haben sich unzählige Varianten entwickelt, die vermutlich den wenigsten
Eisenbahnfreunden und auch Mitarbeitern alle bekannt sind. Die meisten dieser Bauformen wollen wir hier vorstellen.
Mechanische Stellwerke lassen sich im wesentlichen in drei Klassen einteilen: Bruchsal, Jüdel und Zimmermann&Buchloh.
Andere Firmen haben entweder solche Stellwerke in Lizenz gefertigt oder eine eigene Bauform entwickelt, die sich in mehr oder
weniger auffälligen Details von den Grundbauformen unterscheiden.
Über das älteste noch im Einsatz stehende Stellwerk in Deutschland gibt es kaum aussagekräftige Informationen. Erich
Preuß hatte Anfang 2000 in der Zeitschrift Eisenbahnmagazin die Vermutung geäußert, daß das Stellwerk W29 in
Leipzig Hbf mit einem Baujahr etwa um 1880 das derzeit älteste Stellwerk sein könnte. Allerdings widersprach dieser Vermutung
die Bauform: Bruchsal G existierte zu dieser Zeit noch nicht (erst ab etwa 1885). Das Stellwerk 1 in Langenbach (Oberbay) mit
Baujahr 1893 war damit ein anderer Anwärter für die Auszeichnung als ältestes Stellwerk.
Ohnehin sind die den englischen Vorbildern entsprechenden Stellwerke in Deutschland nicht mehr zu finden. Allerdings genügt
ein Blick über den (nicht mehr vorhandenen) Grenzzaun, um fündig zu werden. Ein gut erhaltenes Saxby-Stellwerk findet sich in
noch in Raeren (Stellwerk 2) im deutschsprachigen Teil Belgiens. Das Baujahr des Stellwerks ist unklar. Derzeit wird
vermutet, daß das Stellwerk gegen Ende des ersten Weltkriegs nach dem Rückzug Deutscher Truppen aus dem belgischen Kerngebiet
nach Raeren gebracht wurde, da wohl das ursprüngliche Stellwerk (von Siemens, wie im Stellwerk 1) zerstört war.
Oberhalb des Fußbodens befinden sich lediglich die Stellhebel und das dahinterliegende Verschlußregister des Typs Rocker
and Gridiron (Patent von Saxby&Farmer 1874). Der Drehpunkt der Stellhebel, die Verknüpfung mit den Seilzügen und
Gestängen und das Spannwerk befinden sich im darunterliegenden Stockwerk. Beim Stellwerk handelt es sich um ein sogenanntes
Kaskadenstellwerk, d.h. bestimmte Hebel sind in einer Folgeabhängigkeit geschaltet (Weiche Y kann erst dann gestellt
werden, wenn zuvor Weiche X gestellt wurde). Eine solche Technik vereinfacht zwar die Fahrstraßenprüfung (es muß
nämlich nur festgestellt werden, daß die letzte Weiche der Kaskade richtig gestellt ist), wird aber mit einem erheblichen
Aufwand im Verschlußregister erkauft, das die Folgeabhängigkeiten sicherstellen muß.
Französische mechanische Stellwerke sind ebenfalls stark englisch beeinflußt. Das SNCF-Einheitsstellwerk des Typs MU45 weist
noch viele Ähnlichkeiten mit dem ursprünglichen Saxby-Typ auf, wie man hier im deutsch-französischen Grenzbahnhof in
Lauterbourg sehen kann:
Der Drehpunkt der Hebel liegt nun auf der Hebelbank, auch gibt es keine Folgeabhängigkeit, das Verschlußregister mit seinen
Verschlußstücken kann seine Herkunft (Rocker and Gridiron) aber nicht verleugnen. Hergestellt wurde das Stellwerk von Saxby
Paris.
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