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ZugbeeinflussungAuf den vorigen Seiten haben Sie gesehen, welcher Aufwand betrieben wird, um den Zugverkehr unfallfrei durchführen zu können. Die Stellwerkstechnik stellt sicher, daß kein falsches Signal gezeigt werden kann. Eine Frage blieb aber offen: Wie läßt sich die Signalisierung auf das Triebfahrzeug übertragen? Dies geschieht zunächst auf optischem Weg: der Triebfahrzeugführer sieht die Signale und ihre Signalbilder und richtet danach entsprechend seine Fahrweise. Wenn er aber - aus welchem Grund auch immer - ein Signal nicht gesehen hat, besteht die Gefahr eines Unfalls. Viele Unfälle der Vergangenheit und der Gegenwart sind auf unerlaubte Vorbeifahrt am (oder Anfahrt gegen das) haltzeigende(n) Signal zurückzuführen. Es ist also notwendig, die Aufträge der Signale (und damit die Fahrweise des Triebfahrzeugführers) in irgendeiner Form so auf dem Triebfahrzeug zu überwachen, daß die dort installierte Technik einen Zug notfalls alleine vor entsprechenden Gefahrpunkten zum Stehen bringt.Der folgende Text soll wie die vorangegangenen Seiten die Prinzipien vermitteln. Wer die Funktionsweise sämtlicher Indusi-Bauarten (insbesondere die Fahrzeugausrüstung der PZB90) studieren möchte, sei auf die anderen Angebote im Web verwiesen.
EntwicklungSchon früh wurden Überlegungen angestellt und Versuche durchgeführt. Meist blieb es jedoch bei den Versuchen, weil die eingesetzten Mittel zu aufwendig oder unpraktikabel waren, den Anforderungen nicht genügten oder einfach dem rauhen Betriebsalltag nicht standhielten. Möllering berichtet in seinem Lehrbuch 1927 ausführlich über diese Versuche. Geforscht wurde dabei in alle Richtungen: Die Informationen wurden auf mechanischem (z.B. Schlagschalter), optischem (Lichtquelle, Spiegel, Selenzellen; die sogenannte Opsi), elektrischem (z.B. Schleifkontakt) oder magnetischem (z.B. Indusi) Weg übertragen. Letztlich hat sich in Deutschland dann der magnetisch-induktive Weg durchgesetzt. Die Entwicklung der Indusi (von Induktive Zugsicherung, andere Quellen nennen für das si auch Siemens, im Gegensatz zu einer Indulor von Lorenz) mit ersten Installationen beginnt in den 1930er Jahren, in nennenswerter Zahl beginnt der Streckenausbau jedoch erst ab den 1950ern.
GrundgedankenBevor ein entsprechendes Zugsicherungssystem installiert wird, muß natürlich überlegt werden, welche Informationen übertragen werden sollen. Das einfachste System kennt zwei Zustände: Halt und Frei (bzw. nicht-Halt). Ein solches System kommt z.B. bei der Berliner S-Bahn zum Einsatz und wird Fahrsperre genannt. Am Wagenkasten sind außen Schalter angebracht, die durch ein Hindernis an der Strecke (der sogenannte Streckenanschlag der Signale) betätigt werden können und damit eine Zwangsbremsung auslösen.Dieses einfache und wirkungsvolle System hat jedoch einen gravierenden Nachteil: Es ist nicht für höhere Geschwindigkeiten geeignet. Eine Beeinflussung findet erst am Hauptsignal statt, d.h. eine Zwangsbremsung setzt erst an dieser Stelle ein. Erhält ein Zug z.B. mit einer Geschwindigkeit von 160 km/h eine Zwangsbremsung, so kommt er im ungünstigsten Fall (je nach Bremsleistung des Zuges, Witterungsverhältnisse) erst einen Kilometer später zum Stehen (bei einer angenommenen konstanten Bremsverzögerung von 1 m/s2 990 m, bei angenommenen 1,5 m/s2 660 m). Dies würde bedeuten, daß hinter jedem Signal ein Sicherheitsraum (Gefahrpunktabstand, Durchrutschweg) von eben diesem Kilometer freigehalten werden muß. Das ist nicht praktikabel. Überlegen Sie z.B. welche Länge ein Bahnhof erreichen würde, wenn hinter den Einfahrsignalen eben dieser Kilometer freigehalten werden müßte.
Das System muß eine dritte Information übertragen können: die Warnstellung des Vorsignals. Damit soll erreicht werden, daß nach einer Zwangsbremsung der Zug spätestens nach 200 m steht. Diese Entfernung ist in Deutschland der Standardgefahrpunktabstand bzw. Durchrutschweg hinter Hauptsignalen. Bei Einfahrten auf Langsamfahrt kann der Durchrutschweg am Zielsignal auch entsprechend kürzer gestaltet sein.
Die Indusi/PZBIn Deutschland wird die Indusi (heute PZB: Punktförmige Zugbeeinflussung, technisch: Dreifrequenz-Resonanzbauart) eingesetzt. Während die streckenseitige Ausrüstung seit dem Anfang im Prinzip unverändert blieb (einzige Ergänzung: 500 Hz), wurden die Fahrzeuggeräte mehrfach weiterentwickelt (I54, I60, I60R, PZ80, PZB90), bzw. bei neueren Geräten die Software verändert.
In Fahrtrichtung rechts des Gleises ist etwa auf Höhe des Schienenkopfs ein sogenannter Indusimagnet installiert. Es handelt
sich dabei um einen passiven Schwingkreis, der auf eine bestimmte Frequenz eingestellt ist (hier: 500, 1000 bzw. 2000 Hz).
Durch Kurzschließen wird der Schwingkreis unwirksam geschaltet. Dies wird für fahrtzeigende Signale benötigt, durch die ja
keine Beeinflussung erfolgen soll. Am Fahrzeug ist das Gegenstück ebenfalls mit einem elektrischen Schwingkreis montiert.
Wird nun ein entsprechender Gleismagnet passiert, wird der Schwingkreis des Triebfahrzeugmagneten beeinflußt. Diese Änderung
ist meßbar und kann damit zur Einleitung von entsprechenden Aktionen (Zwangsbremsung etc.) verwendet werden.
Die ursprüngliche Anordnung bestand aus einem 2000 Hz-Magneten am Hauptsignal und einem 1000 Hz-Magneten am Vorsignal. Besitzt ein Hauptsignal auch Vorsignalfunktion, so findet sich dort ein kombinierter 1000/2000 Hz-Magnet. Später wurde zusätzlich ein 500 Hz-Magnet etwa 250 Meter vor dem Hauptsignal installiert. Er dient als zusätzliche Sicherung und hat spätestens seit Änderung des Betriebsprogramms auf PZB90 eine zentrale Funktion für den Fahrfehler "Anfahrt gegen Halt".
Die Wirkungsweise der Magneten im einzelnen:
Die Bestätigung alleine genügt jedoch noch nicht. Damit der Zug sicher zum Stehen gebracht werden kann, überwacht das Fahrzeuggerät die Bremsung nun mit einer sog. angehängten Geschwindigkeitsprüfung. Diese kann, je nach Zugart (und Bremsausrüstung des Zuges) folgende Wertepaare umfassen: In der oberen Zugart muß die Geschwindigkeit nach 23 Sekunden auf unter 85 km/h reduziert sein, in der mittleren Zugart nach 29 Sekunden unter 70 km/h, in der unteren Zugart nach 38 Sekunden unter 55 km/h (vor Einführung der PZB90: 20 sec/95 km/h; 26/75; 34/60). Ist nach Ablauf der Prüfzeit die Geschwindigkeit höher als der vorgegebene Wert, wird eine Zwangsbremsung ausgelöst.
Zwei Probleme ergeben sich bei diesem Grundprinzip:
Ein weiteres Problem ergab sich insbesondere bei schnellbeschleunigenden Zügen (z.B. S-Bahn-Triebwagen), die gegen ein haltzeigendes Signal anfuhren. Sie erreichen nach kurzer Zeit bereits hohe Geschwindigkeiten, so daß eine Zwangsbremsung am Hauptsignal wieder einen relativ langen Bremsweg ergibt. In Verbindung mit dem 500 Hz-Magneten und der PZB90 ergibt sich folgende Zusatzfunktion: Wird nach einer 500 Hz-Beeinflussung angehalten, schaltet die Anlage in einen weiteren restriktiven Modus:
Einfache Darstellung der PZB-Werte, ebenfalls vereinfachte Bremskurve
Die PZB90 bietet gegenüber den älteren Bauformen noch weitere Möglichkeiten. Da es sich dabei aber immer nur um Funktionen
des Fahrzeuggerätes (keine Änderung an den Strecken-/Stellwerkseinrichtungen) handelt, sollen diese hier nur kurz vorgestellt
werden:
Trotz aller Verbesserungen wird mit einem punktförmigen Überwachungssystem nie eine vollständige Sicherheit erreicht werden. Eine ständige Überwachung ist nur mit der LZB (Linienförmige Zugbeeinflussung) möglich. Durch ein in der Mitte des Gleises verlegtes Linienleiterkabel werden kontinuierlich Informationen in das Fahrzeug übertragen. Das System ist auch bei Geschwindigkeiten größer als 160 km/h notwendig, da hier die Bremswege länger sind als der Abstand Vorsignal-Hauptsignal. Die LZB zeigt daher auf dem Führerstandsgerät den Streckenstatus bis zu 7000 Meter im voraus an.
Das KrokodilEin weiteres Beispiel für ein Zugsicherungssystem, das drei Begriffe übertragen könnte (warum das nicht geschieht: siehe unten), ist das französische Krokodil. Der Name leitet sich aus dem Aussehen des Streckenstücks ab. In der Mitte des Gleises liegt ein Schleifkörper, der mit unterschiedlichen Spannungen (18 Volt: Plus gegen Schiene, Minus gegen Schiene, Isoliert) versorgt wird. Fahrzeugseitig ist eine Schleifbürste installiert, die den Schleifkörper bestreicht.
Mit diesem System ließen sich drei Zustände (Plus, Minus, Null) übertragen, die entsprechend ausgewertet werden könnten (z.B. Halt, Warnstellung, Frei). Durch die symmetrische Anordnung in der Gleismitte hat das System jedoch den Nachteil, daß es Zugfahrten in beiden Richtungen beeinflußt. Für Gegenfahrten muß das Krokodil daher unwirksam geschaltet werden. Erstaunlicherweise werden die Möglichkeiten jedoch nicht ausgenutzt: Es werden nur die Begriffe Warnstellung (Plus am Krokodil) und Frei (Minus am Krokodil) übertragen, die isolierte Stellung bewirkt keine Beeinflussung und wird für die Gegenfahrt geschaltet. Mit dem Krokodil kann daher keine Zwangsbremsung am haltzeigenden Signal erfolgen! Trotzdem werden Krokodile auch am Hauptsignal ausgelegt, um zumindest den Triebfahrzeugführer auf die Vorbeifahrt am Signal aufmerksam zu machen. In Luxemburg wurde dieser Nachteil durch eine Erweiterung (strecken- und fahrzeugseitig) ausgeglichen: Zwei direkt hintereinander liegende Krokodile in Warnstellung werden als Haltbegriff interpretiert.
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