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Grundlagen der Stellwerkstechnik

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Zugmeldungen

Wir haben bislang die technischen Abläufe beschrieben und dabei die Verständigung zwischen den verschiedenen Betriebsstellen außer Acht gelassen. Für die Sicherheit wäre dies im Regelfall auch nicht notwendig. Stellwerks- und Blocktechnik stellen sicher, daß es nicht zu gefährlichen Situationen kommt. Weniger gefährlich als unangenehm ist hingegen z. B. die Fehlleitung eines Zuges, d. h. die Fahrt auf eine falsche (nicht für den Zug vorgesehene) Strecke, weil ein Stellwerk beispielsweise erst einen anderen Zug erwartet hatte.

Um solche Probleme zu vermeiden, werden Züge von Stellwerk zu Stellwerk gemeldet. Dies geschieht mit sogenannten Zugmeldungen. In Deutschland sind - mit wenigen Ausnahmen - Zugmeldungen für alle Zugfahrten notwendig. Bei anderen Bahnen (z. B. in Frankreich oder auf Teilen der Berliner S-Bahn) wird im Regelbetrieb, wenn die Züge in der Reihenfolge des gedruckten Fahrplans verkehren (in Frankreich z. B. TST=Tableau de succession des trains), auf Zugmeldungen verzichtet.

Zugmeldungen übernehmen eine wichtige Funktion im Störungsfall. Bei gestörtem Streckenblock oder bei Fahrten auf dem Gleis der Gegenrichtung (ohne besondere Einrichtung dafür) ist die technische Sicherung der Zugfahrten auf der Strecke nicht (mehr) gewährleistet. Zugmeldungen stellen die Rückfallebene dar, um trotz der Störung weiterhin den Betrieb sicher durchführen zu können. Bei Bahnstrecken ohne Streckenblock sind Zugmeldungen sogar die einzig vorhandene Sicherheitsebene.

Aus dem vorigen Absatz wird die Bedeutung der Zugmeldungen klar. Es ist daher verständlich, daß eine Zugmeldung zwischen zwei Stellwerken nicht einfach so, umgangssprachlich "Du, ich schicke Dir jetzt mal den Zug 4711", erfolgen kann, da dies zuviele Risiken (Mißverständnisse) birgt. Für Zugmeldungen ist daher ein fester Wortlaut und eine bestimmte Gesprächsreihenfolge vorgeschrieben. Alle Zugmeldungen müssen schriftlich festgehalten werden. Hierzu dienen Zugmeldebücher, die es in zwei Grundtypen gibt: für eingleisige und zweigleisige Strecken.

[Zugmeldebuch eingleisige Strecke]
Zugmeldebuch für eingleisige Strecken, alte Ausführung: die Spalte 7 ist inzwischen entfallen, da durch den Eintrag der Dienstübergabe klar erkennbar ist, welcher Fahrdienstleiter jeweils zuständig war.

[Zugmeldebuch zweigleisige Strecke]
Zugmeldebuch für zweigleisige Strecken, ältere Ausführung, linke Seite.

Für Abzweigstellen, mehrgleisige Strecken und Fernsteuerbereiche werden die Zugmeldebücher entsprechend den betrieblichen Notwendigkeiten aus den Grundtypen zusammengestellt. So hat beispielsweise ein Zugmeldebuch für eine zweigleisige Abzweigstelle je zwei Spalten "Gleis nach..." bzw. "Gleis von...".

[Zugmeldebuch zweigleisige Strecke]
Zugmeldebuch für zweigleisige Strecken mit Abzweig, aktuelle Ausführung, linke Seite.

Das Zugmeldegespräch findet zwischen zwei sogenannten Zugmeldestellen (üblicherweise die benachbarten Bahnhöfe oder Abzweigstellen) statt, andere Betriebsstellen (Blockstellen, Bahnübergänge) sind an der Zugmeldung nur als Zuhörer beteiligt (sieht man einmal von der Namensnennung zu Beginn des Gesprächs ab), u. a. weil diese Stellen die Reihenfolge der Züge nicht verändern können. Die Blockstelle als Zugfolgestelle kann jedoch Rückmeldungen abgeben.

Es gibt folgende Zugmeldungen:

  • Anbieten und Annehmen, auf eingleisigen Strecken, auf zweigleisigen Strecken bei Befahren des Gegengleises, oder wenn es örtlich vorgeschrieben ist, wie z. B. auf einigen Grenzstrecken in das benachbarte Ausland,
  • Abmelden, auf allen Strecken,
  • Rückmelden, auf allen Strecken, üblicherweise nur im Störungsfall/bei Arbeiten oder grundsätzlich bei Strecken ohne Streckenblock.
Für das Zugmeldegespräch ist folgender Rahmen verbindlich:
Fahrdienstleiter Linksdorf ruft Fahrdienstleiter Rechtsdorf. Dieser meldet sich mit "Fdl Rechtsdorf", danach melden sich ggf. die zwischen den Zugmeldestellen beteiligten Betriebsstellen, anschließend "Fdl Linksdorf. Zugmeldung". Der Fahrdienstleiter in Linksdorf meldet nun seinen Zug, anschließend wiederholt der Fahrdienstleiter in Rechtsdorf mit "Ich wiederhole" die Zugmeldung. Ist die Wiederholung korrekt wiedergegeben, meldet Linksdorf "Richtig". Damit ist das Zugmeldegespräch beendet.

Anbieten und Annehmen
Auf eingleisigen Strecken müssen Züge angeboten und angenommen werden, bevor sie verkehren dürfen. Gleiches gilt, wenn Züge auf dem Gegengleis verkehren, oder die Zugmeldung für eine bestimmte Strecke vorgeschrieben ist. Ein Zug darf frühestens fünf Minuten vor der vorgesehenen Abfahrtszeit angeboten werden. Zum Zeitpunkt des Angebots darf kein Zug auf der Strecke unterwegs sein (Ausnahme: bedingte Annahme, siehe weiter unten).
Zug 4711 soll von Linksdorf nach Rechtsdorf verkehren. Es findet folgendes Gespräch statt:
Linksdorf Rechtsdorf
(ruft Rechtsdorf an) Fdl. Rechtsdorf
Fdl. Linksdorf. Zugmeldung:
Wird Zug 4711 angenommen?
 
  Zug 4711 ja.
Ich wiederhole: Zug 4711 ja. 
  Richtig.
Abweichend vom üblichen Verfahren wird nur die Annahme wiederholt. Folgt auf die Annahme gleich die Abmeldung, entfällt die Wiederholung. Kann Rechtsdorf den Zug nicht annehmen, so lehnt er das Angebot mit dem Wortlaut "Nein, warten" ab. Sobald der Zug verkehren kann, nimmt er ihn mit "Jetzt Zug 4711 ja" an.
Nach Annahme des Zuges gibt Rechtsdorf die Erlaubnis an Linksdorf ab, sofern sich diese nicht ohnehin in Linksdorf befindet.

Um Kreuzungen zu beschleunigen, darf ein Zug für die Gegenrichtung bereits zwei Minuten vor der voraussichtlichen Ankunft des Gegenzuges angeboten werden. Die Zugmeldung wird dann mit der entsprechenden Bedingung verknüpft:
Linksdorf Rechtsdorf
Fdl. Linksdorf. Zugmeldung:
Wird Zug 4711 angenommen, wenn Zug 4710 in Linksdorf?
 
  Wenn Zug 4710 in Linksdorf, darf Zug 4711 kommen.
Die zusätzliche Bedingung muß im Zugmeldebuch vermerkt werden.
Das gleiche Gespräch wird geführt, wenn einem Zug ein zweiter Zug folgen soll. Die bedingte Annahme setzt in diesem Fall aber einen ordnungsgemäß wirkenden Streckenblock voraus.
Nach der Annahme eines Zuges muß dieser noch, wie auf zweigleisigen Strecken, abgemeldet werden.

Abmelden
Auf allen Strecken werden Züge abgemeldet. Dem Nachbarfahrdienstleiter wird damit die Zugnummer und die voraussichtliche bzw. tatsächliche Abfahrtszeit mitgeteilt. Die Abmeldung darf frühestens fünf Minuten vor der (voraussichtlichen) Abfahrt erfolgen. Bei ordnungsgemäß wirkendem Streckenblock dürfen auch nachfolgende Züge abgemeldet werden.
Zug 4711 wird (voraussichtlich) um 12.19 Uhr von Linksdorf nach Rechtsdorf fahren. Linksdorf ruft daher in Rechtsdorf an und meldet:
Linksdorf Rechtsdorf
(ruft Rechtsdorf an) Fdl. Rechtsdorf
Fdl. Linksdorf. Zugmeldung:
Zug 4711 in Linksdorf (voraussichtlich) ab 19.
 
  Ich wiederhole: Zug 4711 in Linksdorf (voraussichtlich) ab 19.
Richtig.  
Ob mit der voraussichtlichen oder tatsächlichen Abfahrts- oder Durchfahrtszeit gemeldet wird, hängt von den örtlichen Bestimmungen ab. Üblicherweise - und auf jeden Fall, wenn Schrankenwärter zu benachrichtigen sind - wird mit der voraussichtlichen Zeit gemeldet. Die Angabe des Ortsnamens wurde Ende 2009 dauerhaft in den Wortlaut aufgenommen, zuvor war dies nur bei ferngestellten Betriebsstellen erforderlich.

Rückmelden
Die Rückmeldung ist die Bestätigung der Räumungsprüfung, d. h. der Zug hat den Streckenabschnitt mit allen Fahrzeugen verlassen (Zugschlußprüfung!), das deckende Signal zeigt Halt und der zugehörige Durchrutschweg/Gefahrpunktabstand ist freigefahren. Bei ordnungsgemäß wirkendem Streckenblock genügt das Rückblocken als Bestätigung. Ist der Block hingegen gestört oder nicht vorhanden, ist die Rückmeldung erforderlich. Der Meldung kommt eine zentrale Bedeutung zu: Der die Meldung abgebende Fahrdienstleiter bestätigt damit, daß die Strecke frei ist und ein anderer Zug folgen darf.
Zug 4711 ist inzwischen in Rechtsdorf angekommen. Rechtsdorf ruft daher in Linksdorf an und meldet:
Linksdorf Rechtsdorf
Fdl. Linksdorf (ruft Linksdorf an)
  Fdl. Rechtsdorf. Zugmeldung:
Zug 4711 in Rechtsdorf.
Ich wiederhole: Zug 4711 in Rechtsdorf. 
  Richtig.

Zugnummernmeldeanlagen
Auf stark befahrenen Strecken werden die vielen Zugmeldungen schnell zu einer Arbeitsbelastung für das Personal. Man setzt daher eine Zugnummernmeldeanlage ein. Sie ersetzt das Abmelden und das Führen des Zugmeldebuches und vereinfacht das Anbieten/Annehmen. Die Anlage besteht aus einer Eingabetastatur, dem Drucker und entweder
- einem Monitor, der schematisch die Gleisanlage mit Zugnummern und Signalen zeigt
oder
- Anzeigefeldern (Segmentanzeigen) direkt in den entsprechenden Gleisfeldern auf dem Stelltisch.
[Stelltisch Niederhöchstadt]
Die Aufnahme des Stelltischs in Niederhöchstadt zeigt die Eingabetastatur mit Kontrollfeld der Zugnummernmeldeanlage, sowie in den Gleisen die Segmentanzeigen mit den Zugnummern.

Die Zugnummernmeldeanlage fragt aus der Stellwerksanlage den Zustand der Signale und Fahrstraßen ab. Fällt ein bestimmtes Signal auf Halt, schaltet die Anlage automatisch die Zugnummer aus einem in das nächste Feld weiter und druckt eine Meldung auf dem eigenen und ggf. auf dem Drucker des Nachbarfahrdienstleiters aus. Durch eine codierte Eingabe und zusätzliche Anzeigefelder (Voranzeige, Spiegelfelder) kann das Anbieten und Annehmen mit wenigen Tastendrücken durchgeführt werden.

Da in der Anlage Zugnummern von Hand eingegeben oder gelöscht werden können, bedeutet ein leeres Feld nicht unbedingt ein freies Gleis. Daher darf die Anzeige der Anlage nicht für sicherheitsrelevante Meldungen (z. B. Räumungsprüfung/Gleisfreimeldung) ausgewertet werden.

Ein weiterer Vorteil der Zugnummernmeldeanlagen besteht in der Verknüpfung mit den Leitzentralen. Entsprechende Systeme können die Zugnummernmeldeanlagen der Strecke abfragen und feststellen, wo sich gerade ein Zug befindet. Im Vergleich mit einem gespeicherten Fahrplan lassen sich daraus beispielsweise Verspätungen ermitteln, Vorschläge für Anschlußaufnahme und Prognosen für Folgeverspätungen berechnen.

Über den Zaun
Zugmeldungen werden auch bei anderen Bahngesellschaften in den unterschiedlichsten Varianten durchgeführt. Die CFL in Luxemburg setzen beispielsweise das deutsche Zugmeldeverfahren ein, mit nahezu identischen Zugmeldebüchern. Ein Unterschied gibt es aber: Der (französischsprachige) Vordruck weist zwei zusätzliche Spalten für Verspätung bei Ankunft und bei Abfahrt auf.

Andere Zugmeldeverfahren basieren auf bestimmten Codes, die im Prinzip nichts anderes als Abkürzungen einer ausführlichen Zugmeldung sind. So könnte z. B. die Meldung "Code A für Zug 4711" nichts anderes als "Wird Zug 4711 angenommen?" bedeuten.

Bestimmte Bahngesellschaften ergänzen die Zugmeldung mit dem Austausch von Zufallszahlen. Man will dadurch verhindern, daß ein Fahrdienstleiter eine Eintragung im Zugmeldebuch vornehmen kann, ohne seinen Kollegen zu kontaktieren. Nur die ausgetauschten und in beiden Zugmeldebüchern übereinstimmenden Ziffern weisen ein ordnungsgemäßes Zugmeldegespräch nach.

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[Signal Blankenese]

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www.stellwerke.de - Letzte Änderung am 25.12.2010
Holger Kötting