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Durchführen einer Zugfahrt
Nach diesen Vorüberlegungen wollen wir uns die Durchführung einer Zugfahrt an konkreten Beispielen ansehen. Dazu begeben wir
uns auf ein fiktives mechanisches Stellwerk und spielen alle notwendigen Bedienungsschritte durch. Da Sie natürlich auf dem
Stellwerk nicht geprüft sind, führen Sie selbstverständlich jegliche Bedienhandlungen nur nach Anweisung des diensthabenden
Fahrdienstleiters aus!
Sehen Sie sich jetzt also einmal einen Ausschnitt aus unserem Bahnhof an:
Welche Schritte sind notwendig, um eine Zugfahrt sicher durchzuführen? Wir nehmen einmal an, daß auf Gleis 3 ein Zug 4711
steht, der nach Linksdorf fahren soll. Zunächst wäre eine Verständigung mit dem Fahrdienstleiter in Linksdorf erforderlich
(Zugmeldung), der sicherlich erfahren will, welchen Zug wir ihm denn nun schicken werden. Darauf
wollen wir aber zunächst verzichten und nur den stellwerkstechnischen Ablauf betrachten.
Auf dem folgenden Bild ist der Zug auf Gleis 3 bereitgestellt. Außerdem ist die Grundstellung der Weichen zu erkennen,
d. h. im Stellwerk befinden sich sämtliche Weichenhebel in der Grundstellung oben. Man bezeichnet bei einer Weiche diese
Stellung auch als Plusstellung, die andere Lage als Minusstellung. Die Plusstellung muß nicht unbedingt mit der geraden Lage
der Weiche übereinstimmen. Bei Weiche 9 ist beispielsweise die abzweigende Lage als Plusstellung definiert.
Im Regelfall ist die Grundstellung der Weichen so definiert, daß ein Fahrweg samt Flankenschutz für die durchgehenden
Hauptgleise vorliegt und sich die anderen Weichen in einer sinnvollen, oft genutzten Lage befinden.
Durchführen der Zugfahrt
Nr. | Was ist zu tun? | Was wäre, wenn nicht? |
1. |
Fahrwegprüfung durch Hinsehen
(früher: Prüfung durch Augenschein)
Wir befinden uns auf einem Stellwerk, das nicht über eine selbsttätige Gleisfreimeldung verfügt. Daher müssen wir zunächst
vor jeder Zugfahrt prüfen, ob das zu befahrende Gleis frei von Fahrzeugen ist. Das heißt: Fenster öffnen, rausschauen. Die
Prüfung erfolgt vom Startsignal bis zum Zielsignal (sowie dem dahinter freizuhaltenden Durchrutschweg). In unserem Fall gibt
es aber kein Zielsignal (Ausfahrt). Wir prüfen daher den Fahrweg ab Signal P3 (bzw. bereits ab Standort des Zugs) bis in die
Höhe des Einfahrsignals A. Ab dort ist der Fahrweg durch den Streckenblock gesichert, der uns das Freisein (bzw. die Belegung
des Streckengleises anzeigt. |
Würden wir den Fahrweg nicht prüfen, stehen möglicherweise Fahrzeuge (absichtlich oder unabsichtlich) im
Weg. Wir können aber trotzdem das Signal auf Fahrt stellen (mit entsprechend unangenehmen Folgen). |
2. |
Stellen der Weichen, Gleissperren, Riegel, Sperrsignale
Nachdem wir den Fahrweg geprüft haben, stellen wir die für den Fahrweg notwendigen Weichen. Als ständig hier tätiger
Fahrdienstleiter wissen wir natürlich aus dem Schlaf, welche Weichen umzustellen sind. Wüßten wir es nicht, gibt es zwei
Hilfen:
1. Am zugehörigen Fahrstraßenhebel findet sich eine Liste der umzustellenden Fahrwegelemente:
Fahrstraßenhebel (der Bauart Willmann in Nidda) mit dazugehörigen Bezeichnungsschildern. Für die Fahrstraße
p7.O (vom Signal P7 nach Ober Widdersheim) müssen z. B. die Weichen 1, 2 und 6, sowie das Sperrsignal Hs 7I
umgestellt werden.
2. Wir werfen einen Blick in den zum Stellwerk gehörenden Verschlußplan, von dem nachfolgend ein Ausschnitt zu finden
ist.
Wie Sie auf dem Verschlußplan sehen, müssen wir die Weichen 1, 2, 7, 8 und 9 in die Minusstellung bringen, d. h. den
Weichenhebel umlegen. Die Weichen 3, 4, 6, 10 und 12 müssen in Plusstellung sein. Wir lassen also diese Hebel, wie sie sind,
bzw. legen sie in die Ausgangsstellung. Andere Weichen, wie z. B. 5 oder 11 sind nicht bezeichnet, d. h. sie
spielen für unsere Fahrstraße keine Rolle. Zwar grenzt die Weiche 11 unmittelbar an unsere Fahrstraße, aber egal ob sie sich
in Plus- oder Minusstellung befindet: Weder die eine noch die andere Stellung verbessert oder verschlechtert die Sicherheit
unserer Fahrstraße p3. Einen technischen Reihefolgezwang beim Stellen der Weichen gibt es im Regelfall nicht (eine der
Ausnahmen: Weichen mit zugehörigem Weichenriegel), wir können die Weichen daher in beliebiger Folge umstellen. |
Würden wir die Weichen nicht korrekt stellen, wäre es uns im folgenden nicht möglich, die zugehörige
Fahrstraße festzulegen. Angenommen, das wäre möglich (rein theoretisch), würde der Zug auf ein falsches Gleis geleitet
werden. |
(Ausschnitt aus dem Verschlußplan, vereinfacht)
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3. |
Mechanisches Verschließen der Fahrstraße
Nachdem wir alle Weichen richtig gestellt haben, legen wir den gewünschten Fahrstraßenhebel um. Da wir eine Ausfahrt auf das
Signal P3 durchführen wollen, ist der zugehörige Fahrstraßenhebel mit p3 beschriftet. Mit dem Umlegen des Fahrstraßenhebels
werden sämtliche an der Fahrstraße beteiligten Weichen verschlossen, d. h. sie können nicht mehr umgestellt werden.
Der Fahrstraßenhebel erfüllt zudem eine Kontrollfunktion. Er läßt sich nur dann umlegen, wenn alle Vorbedingungen erfüllt
sind. Würden wir beispielsweise die Weiche 7 nicht umstellen, ließe sich der Fahrstraßenhebel p3 nicht bewegen.
Muß eine Zugfahrt ohne Hauptsignal durchgeführt werden, so müssen alle von der Zugfahrt befahrenen Elemente hilfsweise gegen
Umstellen gesichert werden. Da ein umgelegter Fahrstraßenhebel eben alle diese Elemente verschließt, genügt es in diesem
Fall, am Fahrstraßenhebel eine Hilfssperre anzubringen. Andernfalls müßten alle Weichen einzeln mit Hilfssperren versehen
werden.
Ein technischer Aspekt: Gäbe es den Fahrstraßenhebel nicht, müßten die Abhängigkeiten zwischen Signal und Weichen deutlich
aufwendiger realisiert werden, wie z. B. bei den Stellwerken mit Kaskadenverschluß englischer Bauart. Mit Hilfe des
Fahrstraßenhebels und der damit verbundenen Fahrstraßenschubstange kann das Stellwerk einfacher und kompakter gebaut werden.
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Gäbe es den Fahrstraßenhebel nicht, würde die Abhängigkeit zwischen Weichen und Signalen von der
Signalbedienung selbst abhängen. Die Weichen wären in ihrer Lage also nur solange verschlossen, wie das Signal Fahrt zeigt.
Wird das Signal demnach zu früh zurückgenommen, könnten Weichen schon wieder bedient werden, obwohl sich noch Teile des Zuges
auf der Weichenstraße befinden. |
4. |
Elektrisches Festlegen der Fahrstraße
Nach dem Umlegen des Fahrstraßenhebels muß dieser festgelegt werden. Dazu wird im Blockaufsatz die Blocktaste für die
elektrische Fahrstraßenfestlegung betätigt.
Waren bis zu diesem Augenblick sämtliche Aktionen rücknehmbar, (Fahrstraßenhebel zurücklegen, Weichen anderweitig stellen),
wird durch diese Handlung ein endgültiger Zustand geschaffen. Der Fahrstraßenhebel ist festgelegt und kann nur noch mit einer
nachweispflichtigen Hilfshandlung entsperrt werden.
Das reguläre Auflösen dieser Festlegung kann nur nach einer erfolgten Zugfahrt stattfinden. Dazu befinden sich an bestimmten
Stellen Gleisabschnitte, in denen die beiden Schienen gegeneinander elektrisch isoliert sind. Befährt eine Achse den
Abschnitt, werden die beiden Schienen verbunden (vereinfacht: "Kurzschluß"). Diese Zustandsänderung kann ausgewertet werden.
Im vorliegenden Fall werden beide Zustandsänderungen ausgewertet: Der Abschnitt muß befahren und wieder freigefahren werden,
damit die elektrische Festlegung auflöst.
Diese Stellen sind hinter der letzten Weiche im Fahrweg angeordnet, so daß die Auflösung erst dann anspricht, wenn der Zug
die Weichenstraße verlassen hat. Wir haben dadurch die garantierte Sicherheit, daß ein versehentliches Umstellen der Weichen
unter dem Zug nicht möglich ist. Sehen Sie sich noch einmal den Gleisplan an! Im Ausfahrgleis finden Sie in Höhe des
Einfahrsignals der Gegenrichtung den isolierten Gleisabschnitt. Hat unser Zug diesen Abschnitt freigefahren, wird die
elektrische Festlegung selbsttätig aufgelöst.
Dieser isolierte Abschnitt dient nur der Fahrstraßenauflösung. Er funktioniert zwar ähnlich wie eine Gleisfreimeldeanlage,
hat mit dieser aber nichts zu tun. |
Würden wir die Fahrstraße nicht elektrisch festlegen, hätten wir ein ähnliches Problem wie im vorigen
Schritt. Der umgelegte Signalhebel verschließt seinerseits zwar ebenfalls den Fahrstraßenhebel, allerdings ist es auch hier
denkbar, daß das Signal zu früh zurückgenommen wird. Dann wäre der Fahrstraßenhebel wieder frei beweglich und damit auch ein
unzeitiges Umstellen der Weichen möglich. Auf Stellwerken älterer Bauart hat man daher entweder eine elektrische Festlegung
nachgerüstet, oder die Rücknahme des Fahrstraßenhebels von einer zweiten Bedingung (in diesem Fall: Rücknahme des Befehls
durch den Fahrdienstleiter) abhängig gemacht. |
5. |
Signalbedienung
Nach soviel Vorarbeit haben wir es endlich geschafft. Wir stellen das Signal P3 auf Fahrt und lassen den Zug ausfahren.
Danach stellen wir das Signal zurück auf Halt. Nach Freifahren des isolierten Abschnitts wird die elektrische Festlegung
aufgelöst.
Ist unser Gleis für Durchfahrten vorgesehen oder ist das Signal ein sogenanntes Gruppenausfahrsignal, fällt das Signal ohne
unser Zutun selbsttätig mit Hilfe einer sogenannten Signalflügelkupplung in die Haltstellung zurück. Dies betrifft aber nur
das am Gleis befindliche Signal; unser Signalhebel bleibt trotzdem in der Minusstellung, bis wir ihn zurücklegen. |
Naja: Wenn wir das Signal nicht auf Fahrt stellen, würde der Triebfahrzeugführer nicht abfahren. |
6. |
Aufräumen
Nachdem der Zug ausgefahren ist, bringen wir das Stellwerk wieder in Grundstellung, logischerweise in umgekehrter
Reihenfolge zum Aufbau der Fahrstraße: Signal auf Halt (falls noch nicht geschehen), Fahrstraßenhebel in Mittelstellung,
Weichen in Grundstellung. |
Bleibt das Signal/der Signalhebel in Fahrtstellung, kann der Fahrstraßenhebel nicht in die Grundstellung
gebracht werden. Ohne diese Grundstellung wiederum ist das Stellen der Weichen nicht möglich. |
Damit Sie sich diese grundlegenden Vorgänge einfacher merken können, geben wir Ihnen noch eine Eselsbrücke mit auf den Weg:
PEPSI. Diese Abkürzung bezieht sich nicht auf das Koffeingetränk, sondern auf die Reihenfolge beim Einstellen der
Fahrstraße:
Prüfen des Fahrwegs (auf Freisein)
Einstellen der Fahrwegelemente
Prüfen des Fahrwegs, ob alle Elemente richtig gestellt sind durch Umlegen des Fahrstraßenhebels
SIchern der Fahrstraße (elektrisch)
Wir haben nun eine Zugfahrt durchgeführt und dabei die prinzipielle Vorgehensweise geschildert. Was wir bislang außer Acht
gelassen haben, ist (mit Ausnahme der elektrischen Fahrstraßenfestlegung) die Bedienung des Strecken- und des Bahnhofsblocks.
Ersteres garantiert uns, daß sich auf einem Streckenabschnitt immer nur ein Zug befinden kann, letzteres stellt uns dies im
Bahnhof sicher und dient außerdem der Verständigung zwischen mehreren Stellwerken.
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